Wie kann man eigentlich Mädchen beeindrucken?

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An manchen Tagen auf den Travel-Touren mit dem Sohnemann fühlt man sich in eine andere Welt versetzt. Nun sind wir schon genau zwei Wochen in diesem Land und auf diesem Kontinent, der für Leo so etwas wie seine zweite (Reise)Heimat geworden ist, und dann stellt er am Rande des Swimmingpools im Apple Island Resort auf einem Hügel über dem Lake Champlain in Vermont südlich der Green Mountains eine Frage, die eine ganze Reise auf den Kopf stellen kann: „Wie kann man eigentlich Mädchen beeindrucken?“ Diese Frage aus dem Mund dieses fast Achtjährigen erstaunt doch sehr, da er bisher bei der Gelegenheit mit ziemlich abwehrendem Vokabular über die Mitschülerinnen hergezogen hat, die – offensichtlich frühreif – schon in der zweiten Klasse die Jungs immer knutschen wollen. „Widerlich“ ist eine von Leos Lieblingsvokabeln in diesem Zusammenhang. Nein, mit Mädchen wolle er gar nichts am Hut haben; und heiraten käme für ihn sowieso nicht in Frage. Was für Themen, na gut.

Nun also diese Wende. Endlich platzt es aus ihm raus, warum er beständig und mit großem Ehrgeiz an seinem kleinen Körper arbeitet. Sport geht über alles, aber es muss auch im Zusammenhang mit Muskelaufbau stehen. Liegestützen jeden Tag, sit ups, auf der Stelle laufen, Fußballtrickserei, Torwarttraining, Basketball – Hauptsache Bewegung! Unser Sports- und sonstige Freund Kai, der Leo gern mal auf den Arm nimmt und in der Luft herumwirbelt, gibt ihm da sicherlich die eine oder andere Inspiration. Auch Mutter Gina hat Leo bestimmt Hinweise gegeben, wie man welche Körperteile ausbildet, Bauchmuskeln, Oberarme, Schultern. Für Leo alles wichtig. Ich habe den kleinen Sportler heute darin bestärkt, viele Bahnen zu schwimmen, das würde Arme und Schultern kräftigen. Der Ehrgeiz treibt ihn dann zum ungeliebten Streckenschwimmen.

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Aber jetzt, das ist der Hammer. Nach der Wassersportgeschichte am Pool wird flugs die Sporthose von Bayern München übergestreift, das passende Trikot mit den vier oder fünf Sternen (so genau weiß ich das nicht, will ich auch gar nicht wissen) lässig um die schmalen Hüften geschlungen und sich dann in Positur gestellt. „Ich gehe jetzt mal über den Platz und zeige mich mal“, sagte dieser kleine Kerl und spannt die Muskeln an. Ich muss noch schnell ein Foto machen, sonst glaubt das keiner.

Diese Episode aus dem Kapitel Leo und sein Körperkult ist allerdings nur ein kleiner, aber doch sehr markanter Blick auf unser tägliches Tun. Langweilig oder eintönig ist diese Reise nun wahrlich nicht. Vielleicht ist sie sogar zu vollgepackt mit den diversen Stationen. Obwohl der Rhythmus, zunächst kleinere Etappen einzulegen mit bis zu 150 Meilen Distanz, und jetzt auf die langen Strecken zu gehen ja eigentlich passt. Als Travelprofis kennen Leo und ich es ja nicht anders, für Ruth ist es gewiss noch hin und wieder gewöhnungsbedürftig. Den Schwenk von der gewohnten Cote d´Azur zum Weltreisen kriegt sie aber gut hin, sieht und entdeckt mit Begeisterung.

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Wir sind ein gutes Team! Es wird gelacht, diskutiert, geschimpft und gemault – und gemeinsam entschieden, was zu tun ist. Das war immer wichtig auf unseren Solotouren, so machen wir es auch jetzt. Dass wir zu Beginn Boston ausgelassen haben nach unendlicher Staufahrerei um die großen Metropolen der Ostküste lieber in Winter Island einen Sonnentag verbracht haben, haben wir alle so gewollt. Genauso, dass wir Quebec trotz 14-stündigen Dauerregens (abends, nachts und am Morgen) besuchen. Mir wäre es egal gewesen, Quebec ist schön, aber eben nicht neu. Die beiden Mitreisenden wollen unbedingt hin. Also hin. Und was ist? Aus dem Shuttle-Bus vom Campground draußen vor der Stadt direkt vor dem Schloss Frontenac angekommen fällt kein Tropfen mehr vom Himmel. Den ganzen Tag nicht. Im Gegenteil: am Nachmittag quält die Hitze.

Am frühen Morgen ist es noch angenehm. Die unzähligen roten Busse karren erst zur Mittagszeit ganze Schiffsladungen von Japanern ins vieux village; ihre Kreuzfahrtriesen ankern draußen im Sankt Lorenz Strom. So streifen wir noch ziemlich ungehindert über die Promenade, durchmessen die weitläufigen Anlagen der Zitadelle und Leo fordert seine üblichen historischen Erklärungen ein, warum denn hier die Franzosen und auf dem anderen Ende Kanadas die Engländer herrschten? Und wie die Kriege gelaufen sind, wer gegen wen und wann? Welche ein Glück: an der Pforte der Zitadelle erlebt er um 11 Uhr am Morgen die traditionelle Wachablösung des rotbejackten und bärenfellbemützten Wachregiments. Dass unser erster Shuttle-Bus zurück dann nicht erscheint, der nächste erst zweieinhalb Stunden später fährt, bringt uns nicht um, sondern amüsiert. Gibt’s halt noch ein Eis, wird eine zweite Shoppingrunde durch die Läden – und die ganzjährig geöffnete skurille Weihnachtsschmuck-Boutique – in den alten Gemäuern Quebecs gedreht und schließlich von der Parkbank aus Japaner bestaunt.

Am nächsten Morgen geht’s weiter. Zurück in die USA, der Abstecher nach Kanada war uns wichtig, aber wir kommen ja auf jeden Fall noch mal zurück auf dieser Reise. Jetzt aber auf nach Vermont, dem zweitliebsten Staat nach Maine des Aufschreibers. Sanft, grün, und unglaublich nette Menschen. Alles relaxt, viel Wasser, Wälder, Berge. Wir wollen uns erholen, nach Quebec zurück zur Natur, etwas Moosehead. Aber eben Vermont. Zum Glück führt die Strecke bis etwa 40 Meilen vor dem Ziel vorwiegend über kanadische Autobahnen, was für Fahrzeug und Nerven schonend ist angesichts der bisherigen Erfahrungen auf Trumps Rumpelpisten. Ein Programm „Amerika Second“ wäre hier schon eine Verbesserung von 300 Prozent.

Nun also Vermont, Apple Island Resort. Das teuerste Revier, das wir mit unserem 30 Fuß langen Camper bisher angefahren sind, aber auch das schönste und gepflegteste. Mit Blick auf den Lake Champlain und mit angeschlossenem Neun-Loch-Golfplatz, für die, die es brauchen. Wir nicht! Dafür toller Service. Den haben wir auch bitter nötig. Es sind noch keine zwei Stunden vergangen seit wir unser Quartier aufgeschlagen haben, draußen in der Sonne vor dem Gefährt unsern üblichen Nachmittagssnack einnehmen – Ruth Obst, Leo und ich einen saftigen selbstgemachten Hotdog – da schrecken wir wie vom Schlag gerührt hoch. Und sagen nichts. Wir schauen uns an, dann nach oben, nach links, nach rechts. Wieder nach oben. Das Dach ist weg, die Markise. Einfach so. Ein Lüftchen hat sie aus der Verankerung gerissen und auf unser Wohnmobil geschleudert.

„So ein Dreck“, entfährt es mir. Jetzt ist es doch gerade so schön entspannend. Vor allem: Was tun? Wie geht es weiter? Mit unserem Mobil, das uns ja jeden Tag vor neue Aufgaben stellt, weil es mit seinen 14.000 gefahrenen Meilen – also fast neu – in einem erbärmlichen Zustand übergeben worden ist. Unsere Kommunikation mit dem Help Desk von Road Bear in Los Angeles ist hier bisher ausgespart geblieben. Aus gutem Grund: wir machen halt das Beste draus und lassen uns von diesen vielen Desastern  nicht die gute Laune verderben. Aber jetzt reicht es dann doch. Die guten Männer von Apple Island helfen bei der notdürftigen Reparatur und Fixierung der übriggebliebenen Markisenhalterung. Wir hoffen, dass es die nächsten knapp 1000 Meilen bis New York ohne weiteres Malheur weitergeht. Road Bear allerdings hat nun ein drittes Schreiben von uns erhalten, nachdem sie schon wissen, in welch´ katastrophalem Zustand ihre Station New York und Miss Piggy uns ihr Premium Gefährt übergeben hat.

Hier gern zum Nachlesen die aktuelle Mail an den help desk von Road Bear:

Dear Maro,

anbei wie besprochen die Fotos der technischen und sonstigen Defizite unseres Road Bear R-194475, auf die wir nicht hingewiesen worden sind, die für Road Bear völlig unüblich sind und die bei dem Full-Service-Paket, das wir direkt ohne Reisebüro bei Road Bear gebucht haben, und bei einem im Voraus gezahlten Gesamtpreis von 7,687,00 $ einfach nicht sein können und dürfen. Die Frage darf erlaubt sein, wie sehen Fahrzeuge aus, die nicht in der Premiumkategorie gebucht werden? Im besten Fall ist anzunehmen, dass dies nur den Standort New York/Middletown betrifft.

 Die Liste der Schäden, auf die nicht hingewiesen wurde:

a.) Kühlschranktür äußerlich defekt, am ersten Abend bemerkt

b.) keine Spülschüssel, kein Toilettenpapier, kein Küchenpapier, kein Spülmittel, eine völlig verdreckte Pfanne, Kaffeemaschine mit gebrauchtem Filter, dafür müssten wir aber den Gastank auffüllen – das war vor 2 Jahren in SF alles genau anders herum

c.) Spiegel oder irgendetwas anderes fehlt an der Stirnseite des Wagens, nur die Halterungen sind noch vorhanden

d.) Rückwärtsfahrkamera zeigt die Bilder spiegelverkehrt an

e.) die weiße Unterbettdecke steckt voller Wanzen, Beine meiner Frau völlig zerstochen, nach Entfernung der Decke Problem behoben

f.) Die Anschlüsse am Abwasserschlauch sind defekt und nicht zu montieren, durch Improvisation gelingt es, an Dump Stations zu entleeren

g.) Blackwater Tank zeigt permanent 2/3 Füllung an, die Einweiserin sprach von 1/3, dann wäre er aber leer, das komme schon mal vor (kann man das nicht beheben vor der Auslieferung?)

h.) Die hintere Gardine (Fahrerseite) ist defekt und lässt sich nicht fixieren

i.) In der Schublade unter der hinteren Sitzecke fehlt der Boden – also unbrauchbar 

j.) die Markise ist bei einem leichten Windstoß aus der Verankerung gerissen und auf das Dach geschlagen. Alle anderen Nachbarn hatten ihre Markisen draußen, ohne dass sich etwas bewegt hätte. Offenbar ist das nicht zum ersten Mal passiert, denn eine tiefe Beschädigung an der Eingangstür, die wir bei der Übernahme bemerkt hatten, zeugt davon, dass der Schaden ganz offensichtlich von der schon mal herausgerissenen Markise stammt, sieht so aus, dass der Schaden nur notdürftig repariert wurde und wir mit der defekten Markise auf die Reise geschickt wurden. Unverantwortlich!!!  

k.) wir haben die Markise eingerollt und fixiert, sie ist aber für uns nicht mehr brauchbar.

Ich möchte Sie bitten, den gesamten Vorgang schon jetzt der Geschäftsleitung vorzulegen. Eine Vor-Ort-Auseinandersetzung mit der Station Managerin in New York führe ich nicht, die 1000 $ Rücklage für etwaige Schäden erwarte ich umgehend erstattet. Und eine juristische Auseinandersetzung mit öffentlicher Begleitmusik bei TUI und in Social Media wünschen Sie sich sicherlich nicht. 

 Mit freundlichen Grüßen

Karl-Heinz Steinkühler

Die entsprechenden Fotos zu jedem Punkt sind natürlich beigefügt worden.

Doch wie geht es weiter? Wir machen weiter Urlaub, wenngleich nicht alles klappt. Unser Plan, mit einem Motorboot den Tag auf dem See zu verbringen, scheitert eben an der Markisenaktion. Wir konnten am Tag zuvor aus Zeitgründen nicht mehr reservieren und am Samstagmorgen – weekend – sind bereits alle Schiffchen vergeben. „Erst Pech und dann auch kein Glück“ – dieses prägnante, wenn auch hier abgewandelte Zitat des Ruhrgebietsfußballers Wegmann – trifft unsere Situation. Am Sonntag, also an unserem nächsten Weiterreisetag, könnten wir ein Boot haben. Mein Vorschlag, die nächste Station einfach ausfallen zu lassen, zumal eine achtstündige Autofahrt vor uns liegt, und dafür zwei weitere Tage an diesem Ort in Vermont zu relaxen, wird einfach überstimmt. Vor allem Leo besteht darauf, zu den Niagara Falls zu fahren. Bötchenfahren kann er immer noch, meistens auf seinen Trips nach Spanien.

Also geht es gleich los. Noch ein wenig schlafen. Und dann Daumen drücken, dass die Markise hält.

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2 Kommentare zu „Wie kann man eigentlich Mädchen beeindrucken?

  1. Ziemlich dreist, was sie Euch als Fünf-Sterne-Camper angeboten haben. Eine tägliche Herausforderung. Die sucht ja auch Leo auf andere Art. Jetzt kennt man endlich das Motiv des Supersportlers. Ich bin sicher, dass er bald die Mädchen nicht nur mit seiner Fitness beeindrucken wird.

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  2. Kalle, zu deinem aktuellen Beitrag fällt mir beim besten Willen kein Kommentar ein. Habe ich doch mein halbes Leben gerätselt, wie man eigentlich Mädchen bzw. Frauen beeindrucken kann. Tja . . .

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