So Mister Trump, nun sei mal friedlich

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Die Ankunft ist fast wie immer. Abgesehen davon, dass wir ein letztes Mal mit der Lufthansa von Düsseldorf aus nach New York fliegen können und demnächst Eurowings diese Flüge getrost ohne uns probieren kann, stellen wir uns wieder geduldig in die Warteschlangen vor Trumps Einreisepolizei. Doch anders als gewöhnlich fertigt uns diesmal ein freundlicher grauhaariger Officer ab, der nicht vergisst zu sagen, dass die kanadische Seite der Niagara-Fälle more beautiful als die amerikanische sei. Das muss man an dieser Position in diesem Glaskasten mit dem blauroten Stempel erst einmal bringen.

Und so geht es weiter. Uber schickt uns den kommunikativsten Driver, den sie in dieser Stadt wohl beschäftigt haben. Abduljalil lebt seit 32 Jahren in New York, in der Bronx, und fährt mit einem schwarzen Mercedes Bus vor, zwei Jahre alt, Neupreis 40.000 Dollar. Uber sei der beste Job seines Lebens sagt er, „300 Dollar Umsatz am Tag, 200 für mich.“ 14 Stunden fährt er, natürlich sieben Tage die Woche. Der Mann ist glücklich, sagt er, so wirkt er auch.

Und dann legt Abduljalil los, ungefragt. Und das muss einfach in Kurzform erzählt werden, vor allem da aus den prognostizierten 37 Minuten vom Airport zum Hotel wegen Straßensperrungen schließlich eine Stunde und 17 Minuten werden. „Deutschland, Soccer, das ist ja furchtbar.“ Er sei ein großer Fan, in den letzten Jahren immer Erster, Zweiter, Dritter. Und jetzt? Er mag es nicht ausdrücken. Dann Trump: „Der ist verrückt, keine Freunde auf der Welt und auch nicht in Amerika, nur Korea!“ Und dann lacht er hämisch. Mit allen im Streit, Nato, Europa, China, Deutschland, England! „Verrückt!“ Im Tunnel unter dem Hudson zeigt er auf die anderen Autos und lacht hämisch: „Nur Autos aus Japan, Korea und Deutschland! Wir kaufen, was gut ist, nicht was Trump will!“

Leo hätte an Abduljalil seine Freude gehabt, aber der junge Mann ist auf halber Strecke tief und fest eingeschlafen. Ich muss diesen fast 1,30 Meter großen Riesen – meinen Sohn – ins Hotel tragen, der Jetlag ist da. Nachmittags um halb fünf Ortszeit sind alle Ideen plötzlich Makulatur, die noch einen ersten Walk durch Midtown und zum Empire State Building vorsahen. So sieht also Leos erster spannender Tag in New York aus! Ruth dagegen, auch zum ersten Mal in dieser wunderbaren Stadt, hält es nicht im Hotelzimmer und macht sich auf zum Times Square, schreibt zwischendurch begeisternde WhattsApps und bringt uns frische Sandwiches mit, die wir dann nachts um drei beim ersten Aufwachen mit Heißhunger vertilgen.

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Danach ist für Leo an Schlaf nicht mehr zu denken und der Sonntagmorgen sieht uns schon ganz früh auf den Beinen und auf der Straße. Der leichte Regen passt zum ersten Programmpunkt, den wir für die beiden Big Apple Novizen ausgemacht haben. Ground Zero und One World Trade Center, mit 541,30 Metern das höchste Gebäude Amerikas. Leo hat zuvor auf YouTube den furchtbaren Terroranschlag auf die Symbole der westlichen Wirtschaftsfreiheit gesehen. Jetzt stehen wir an den mit fließendem Wasser gefüllten Fundamentlöchern der zusammengestürzten Türme, einzelne weiße Rosen stecken in den 3000 Namen der Menschen, die hier ihr Leben gelassen haben. Wir sind früh, nicht allein, aber Stille genug, um nachzudenken, der Rührung Platz zu geben. Memorialtime. Es regnet mal wieder!

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Leo und Ruth statten sich mit Audio-Führern aus, lassen sich im phantastischen Untergrund-Museum vieles gut erklären, Leo beeindruckt die Treppe der Überlebenden, deren Stufen aus dem Nordturm stammen und über die hunderte, tausende den Weg von oben in die Freiheit geschafft haben. Dann das Memorial mit Fotos von allen Opfern an den Wänden. „So viele Feuerwehrleute sind gestorben“, sagte Leo. Sein Führer im Ohr sagt ihm genau wie viele, über 300 sind es gewesen. Die New Yorker Feuerwehr hat am 11. September 2001 Heroisches geleistet, sie wird in dieser großartigen Ausstellung gewürdigt. Mitmenschlichkeit stand über dem Risiko des eigenen Lebens. Die ausgestellten Wracks der von den Trümmern der zusammenbrechenden Türme zerstörten Feuerwehrautos sind dafür ein deutliches Zeichen.

Nach zwei Stunden wollen die Leo und Ruth raus. Nach oben, ins Freie. Keine düsteren Gedanken und Erinnerungen mehr. Der Kontrast ist von den Architekten des Neuen und Alten an diesem historischen Fleck sicherlich so geplant worden. Wir tauchen ab in hellweißes, fröhliches Underground Design, mit schicken Boutiquen, einer weiten Halle, die wir auf dem Weg zum 1WTC durchqueren. Wir legen noch vor dem Fernseher beim WM-Finale einen Stopp ein, aber nur wenige Minuten, Frankreich schießt das 3:1. Entschieden, wir ziehen weiter!

102 Stockwerke geht es hinauf, die Ohren sausen! Brauchen wir zwei Minuten auf die Spitze des größten Hochhauses der USA? Es geht rasend schnell. Wenn die Amerikaner eines können, dann ist es Inszenierung. Und so ist es auch, als die Bühne bereitet ist für das 360 Grad Panorama. Manhattan, New Jersey auf der anderen Seite des Hudson, Brooklyn Bridge, die wunderbare Skiline, Empire State Building, Liberty, Financial District direkt zu Füßen. Es ist einfach schön, hier oben zu sein. Länger als eine Stunde verweilen wir, essen den obligatorischen OWO Hamburger, Pommes und Chicken.

Erster Programmpunkt abgehakt. Früher Nachmittag. Frisch machen im Hotel und schon geht es weiter. Seit Beginn der Reise möchte Leo unbedingt den goldenen Trump Tower sehen. Soll er. Über die 5th Avenue schlendern wir Richtung Central Park. Klar, dass wir unterwegs im neuen Adidas Store nach diversen coolen Schuhen und Trikots suchen; Leo setzt sich zum Abschied auf den Schoß der Bronzestatur von Unternehmensgründer Adi Dassler. Nach einem kurzen Halt in der St. Patricks Cathedral sind wir endlich am Ziel.

Betonbarrikaden und Absperrgitter verschandeln die letzten 100 Meter zum Protzpalast des Präsidenten, an jeder Ecke dieser Prachtstraße schwer bewaffnete Polizei. Dabei ist der doch gar nicht da, sondern legt gerade mal wieder Europa verbal in Schutt und Asche. Leo baut sich vor dem Eingang auf und zeigt, was er von dem obersten Maulhelden der Amerikaner hält: er schiebt den T-Shirt-Ärmel am rechten Arm etwas hoch, ballt die Faust und spannt die Muskeln an. So Mister Trump, nun sei mal friedlich, sonst blüht dir was, soll das wohl heißen. Doch rein will Leo dennoch, in den goldenen Tower. Doch der übertriebene Glanz mit dem Indoor-Wasserfall beeindruckt ihn nur wenig, im Gegenteil er spottet weiter über seinen politischen Lieblingsgegner.

Nun aber in den Central Park, die Schau- und Entspannungsbühne der New Yorker am Sonntagnachmittag. Wie bestellt ist die Sonne da, purer blauer Himmel und 26 Grad. Die neuen Wohntürme rund um die 57th Street, die wie Streichhölzer in den Himmel ragen und einen teuer bezahlten phantastischen Blick über Manhattan und Central Park bieten, dominieren inzwischen vom Park aus die Skyline. In der grünen Lunge New Yorks produzieren sich Freizeitkünstler aller Art, unterhalten mit rhythmischen Bongo-Trommeln, mit Artistik auf Rollschuhen oder tragen ihre Boas spazieren. Leo hat das natürlich sofort entdeckt. Schlangen sind seine Lieblingstiere und es dauert keine zwei Minuten, da hat er eines dieser todbringenden Würgetiere um den Hals hängen. Ich kann es nicht verhindern. Zu allem Überfluss macht es Ruth dem Kleinen gleich. Mir, von Haus aus Schisser, bleibt nicht anderes als aus gesicherter Entfernung die Beweisfotos zu schießen.

Ein paar Kletterpartien über die Felsen im Park später machen wir uns auf den Rückweg. Genug für den ersten richtigen Tag in New York. Müde Glieder, müde Augen, zwölf Stunden New York, 15.224 Schritte. Das reicht. Morgen holen wir uns unseren Camper ab und dann geht es erst einmal drei Wochen durch das Land. Aber wir kommen ja wieder zurück. Es gibt noch so viel zu sehen, zu erleben und zu tun. In dieser wunderbaren Stadt. New York!

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Ein Kommentar zu „So Mister Trump, nun sei mal friedlich

  1. Hallo Leo, Ruth und Kalle – und viel Freude auf eurem Trip an der Ostküste! Gerade fiel mir ein, wie Kalle und ich am Rande des Central Parks Franz Beckenbauer getroffen haben, der nach Manhatten gekommen war, um für die Fußball-WM in Deutschland zu trommeln. Das war im Februar oder März 2006. Damals hat Deutschland nicht nur den ansehnlicheren Fußball gespielt als heute, damals war auch die US-Politik berechenbarer! Also hat Leos kleines Muskelspiel vor dem Trump-Tower schon seine Berechtigung. Ob’s hilft?
    Wahrscheinlich habt ihr jetzt schon New York verlassen und seid on Tour in Richtung Neu England oder wohin auch immer. Genießt es und freut euch des Lebens – trotz des Vollpfostens im Weißen Haus! Auch der bleibt nicht ewig ( höchstens eine weitere Wahlperiode)!
    Wünsche euch gute Reise, schönes Wetter und saftige Steaks! Bis bald, Theo

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